Abgrenzung

Hm. Dieses Wort. Abgrenzung. In einem Seminar für Hochsensibilität hat mir dieses Wort nicht wirklich gefallen. Warum? Es ist so, wie wenn wir jetzt Mauern um uns herum bauen müssten, um uns selbst zu schützen. Das stimmt ja auch auf eine bestimmte Art und Weise.

Nur – wir wollen doch so einfühlsam, liebevoll, empfindsam und empathisch bleiben (wohlgemerkt: nicht alle Hochsensiblen müssen auch empathisch sein). Von gestern auf heute Mauern hochzuziehen bringt einem eher Missmut und Misstrauen entgegen, als dass es einem hilft.

Irgendwie muss es eine Möglichkeit geben, um seine Grenzen zu wahren im natürlichen Einklang mit dem Drumherum.

Ein anderes Wort muss her. Abgrenzung erinnert mehr an eine Situation, wo ich einen Schlagbaum aufstelle und nur das durchlasse, was ich auch möchte.

Wie wäre es mit dem Begriff Selbstschutz?

Dieser könnte auf 2 Arten erfolgen:

– Die inneren Kräfte / Resourcen in einem Selbst stärken und

– Dem Außenherum klar kommunizieren, was ich wirklich möchte und was ich bereit bin zu geben. Das setzt voraus, seine Bedürfnisse zu kennen und zu wissen, was mir guttut.

Wenn ich innerlich selbst stark bin, kann das außenherum noch so heftig sein, mich haut dann so leicht nichts mehr um.

Wenn ich nach außen hin klar kommuniziere, was ich möchte und was nicht, dann wissen die zumindest ungefähr Bescheid. Nicht um den heißen Brei herumreden, deutlich sagen was man in dem Moment möchte. Aber denkt jetzt bloß nicht, man muss jedem auf die Nase binden, dass man hochsensibel ist. Das kommt in den meisten Fällen nicht gut an. Sprecht einfach eure Bedürfnisse an und wie ihr sie erfüllt bekommt. Beispiel: „Hannah, hier im Büro zieht es etwas und mir ist kalt. Ist es ok für dich, wenn wir das Fenster wieder zumachen?“

Tipps zum Selbstschutz…

…nach Innen:

– sich selbst verzeihen können – Selbstkasteiung vermeiden, Selbstliebe stärken – ab und an seine eigenen Gedanken festhalten und bewerten, evtl. in eine positive Richtung lenken

– eine gewisse Tagesstruktur und Routine führt dazu, dass man am Tag weniger Entscheidungen treffen muss und so der Tag angenehmer und ruhiger verläuft.

– bewusst Ruhezeiten einplanen – als Hochsensibler ist man gerne für andere da, man sieht ja, wie sehr es den anderen gut tut. Allerdings vergisst man sich dabei oft selbst! Zuerst vor der eigenen Tür kehren, erst dann sich anderen zuwenden. Was bringt es, wenn man hinterher selbst zusammenklappt? Dann haben die anderen nichts mehr von einem… Deshalb ist es wichtig, genug Zeit für sich alleine zu verbringen und sich selbst etwas Gutes zu tun.

– sich selbst regelmäßig schöne Dinge gönnen – egal wieviel man eigentlich noch erledigen müsste. Alles liegen und stehen lassen. Das hat nichts mit Egoismus zu tun – überhaupt nicht! Was könnte das sein? Ein Spaziergang draußen an der frischen Luft, ein Museumsbesuch, eine Massage, Kino, Frühstück mit einem lieben Freund/einer lieben Freundin, ein ruhiger Abend auf der Couch, …

– genügend Schlaf – viel Trinken – gesund Essen – regelmäßige Bewegung an der frischen Luft

…nach Außen:

– Nein sagen. Dinge ablehnen. Sich dabei nicht erklären. Gleich zum Punkt kommen – nein, das geht gerade nicht. Zuviel Rechtfertigung birgt zuviel Diskussionspotential in sich. Sobald dies einigermaßen funktioniert, kann man die Dinge, zu denen man Ja gesagt hat, viel bewusster genießen 🙂

– lauter und deutlich sprechen; beim Gegenüber kommt der Inhalt dann sofort klarer zum Ausdruck

– nicht alle gesagten Dinge von außen persönlich nehmen. Manchmal schnappt man nur ein Wort auf und bezieht das dann auf sich. Ach, haben die jetzt über mich gesprochen? Sich dieser automatischen Gedanken und evtl. falschen Schlussfolgerungen bewusst werden und unterbrechen; in diesem Moment bewusst an etwas anderes Denken. Sich stark auf etwas anderes fokussieren… Das ist allerdings Übungssache 🙂

– sich bewusst mit Leuten umgeben, die einem gut tun. Narzissten erkennen und meiden, auch in der Partnerschaft – hier noch ein Video zum Thema.

Dieses Thema würde ich gerne mit einem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe beenden. Passt auch ganz gut zur Thematik:

So eine Arbeit wird eigentlich nie fertig, man muß sie für fertig erklären, wenn man nach Zeit und Umständen das Mögliche getan hat.    J. W. von Goethe

13 Gedanken zu „Abgrenzung

  1. Patricia

    Es ist so schwer, so schwer, so schwer diese Dinge umgesetzt zu bekommen. Alles klingt einleuchtend, ist einleuchtend und doch fühlt man sich (je nach Ausgestaltung seiner „Macke“) schuldig, rücksichtslos, egoistisch, wenn man sich zum Beispiel nicht erklärt oder mehr Zeit für andere aufwendet, als es einem gut tut und den Absprung in diesem Moment nicht schafft und so weiter und so fort.

    Liebe Julia, ich danke dir für diesen Text. Ich werde ihn mir in Kürze nochmal so richtig zur Brust nehmen und versuchen mehr davon zu verinnerlichen. Auf dem Weg bin ich ja schon…

    Liebe Grüße, Patricia

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    1. Highly Sensitive Person (High Sensation Seeker) Autor

      Hallo liebe Pat,

      lieben Dank für deine Worte – und ja, es ist sehr schwer.
      Aber schau mal – es ist wie mit dem Mülleimer in der Küche oder der Besteckschublade. Räume diese mal um, in eine andere Ecke – und du wirst noch 30 weitere Male zum alten Ort dieser Dinge zurückgreifen und feststellen, dass du noch dein altes Muster im Kopf hast. Das dauert einfach… Nimm dir eine Sache für die Woche oder sogar den Monat vor und konzentrier dich auf genau diese eine Sache. Im Büro habe ich ein Symbol für eine neue Angewohnheit als PostIt auf meinem Monitor kleben – und dieses erinnert mich daran, was ich gerne anders machen möchte bzw. wo ich anders reagieren möchte. Das klappt nicht immer – aber immer öfter 🙂

      Alles Liebe und Gute dir,
      Julia

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  2. rosabluete

    Auch hier: Dankeschön
    Das hat mir noch gefehlt:
    -bewusst Ruhezeiten einplanen – als Hochsensibler ist man gerne für andere da, man sieht ja, wie sehr es den anderen gut tut. Allerdings vergisst man sich dabei oft selbst! Zuerst vor der eigenen Tür kehren, erst dann sich anderen zuwenden. Was bringt es, wenn man hinterher selbst zusammenklappt? Dann haben die anderen nichts mehr von einem… Deshalb ist es wichtig, genug Zeit für sich alleine zu verbringen und sich selbst etwas Gutes zu tun.
    Im Zusammenhang mit abschalten- Handy, PC, TV aus!

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  4. H. Frenzel

    Hallo,
    ich habe mir das Viedeo von DR. Reinhard Haller angesehen, mußte oft lachen und Humor ist die beste Waffe gegen Narzissten. Ich lebe seit 3 Jahren mit einen „mittleren“ Narzissten zusammen und was ihn frißt, mein „chronisches Nein“ sagen. Nihilismus ist eher eine phil. Strömung und keine Krankheit. Wenn man sich die Lebensdauer einer Beziehung von Hochsensiblen und Narzissten anschaut, die halten nicht lange. Die einen können nicht alleine sein, die anderen wollen es. Hochsensible können sich einfühlen in die anderen, ich erkenne die gute Seele in ihm. Dr.Haller sprach die Ursachen an und genau so ist es, fehlende Aufmerksamkeit und Zuwendung. Da ich meine emotinale Ebene ausblende, runter fahren kann oder was Esloth mit Selbstfokussierung meint, kann ich mit ihm sachlich reden. Ich habe ihn mal den Test von hochsensibel machen lassen, siehe da, nur 25 Punkte weniger als ich, da war ich doch überrascht. Worin besteht die Chance für Hochsensible und Narzissten, ich glaube eine gesunde Selbstliebe zu entwickeln als Hochsensible, im Gegenzug ihnen die Anerkennung und Zuneigung geben, für Dinge die mir wichtig sind. Nein ich brauche kein schickes Auto oder Statussymbole, habe ich ihn oft gesagt. Aber mal mein Rad in Ordnung zubringen, die neu gekaufte Lampe anzuschrauben usw. da gebe ich ihn das, was er so braucht und er versteht nicht, dass man mich, mit solchen“ banalen Dingen“ aus seiner Sicht, mich glücklich machen kann. Und die Anerkennung kommt vom Herzen, den so unsensiel sind sie vielleicht doch nicht und erkennen die Ehrlichkeit.
    Und er hat sich schon geändert, auf der Autobahn wird das Tempo gefahren wie ich es vertrage und nicht wie er es möchte.
    Viele Grüße Heike

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  6. Pete J. Probe

    Für Abgrenzung würde ich `Vermeidung´ ins Spiel bringen. Jeder Mensch muss vieles vermeiden in seiner Lebensgestaltung zu allem, was ihm nicht passt und dem er sich nicht gewachsen fühlt. Ich vermeide es z.B. an sog. Männergesellschaften teilzunehmen, weil sie mir nicht gut tun, hab die letzte schnell wieder verlassen und sie vollkommen gestrichen. Vergleichsweise vermeide ich konsequent alles, was mir nicht passt und muss auch keine Begründung dafür abgeben.
    PJP

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    1. Highly Sensitive Person (High Sensation Seeker) Autor

      Hallo Pete,

      genau – man muss nicht das mitmachen was andere machen, um akzeptiert zu werden. Was bringt mir das alles, wenn ich mich dadurch zu sehr von mir selbst entferne?
      Anstatt Vermeidung würde ich eher das aktive Wort benutzen, ich würde eher sagen: Konzentration aufs Wesentliche.

      Aber nochmal zu deinem Kommentar: Jedes „Nein“ was man bewusst und aus diversen Gründen ausspricht, ist doch ein „Ja“ zu sich selbst.

      Liebe Grüße,
      Julia

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  9. Esloth

    Hm. Dieses Wort.
    Wie wär’s denn mit (Selbst-)Fokussierung.
    Das drückt für mich aus, dass der Schwerpunkt auf mich gelegt wird und somit automatisch die Umwelt etwas in den Hintergrund rückt, dabei aber nicht unwichtig wird.
    Gruß, Esloth

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