Sensibilität im Spitzensport – Besonderheit: Lageorientierung

Hallo zusammen,

nachdem mein Post über Sebastian Deisler seine Kapazitätsgrenze erreicht hat und ich eine weitere hochinteressante Info gefunden habe, gibt es hier diesen neuen Post zum Thema „Sensibilität im Spitzensport“.

Im Vorwort zu Sebastian Deislers Buch meldet sich auch Prof. Dr. Jürgen Beckmann zu Wort, Direktor des Sportpsychologischen Zentrums der Technischen Universität München.

Hier ein Zitat daraus:

„Sensibilität ist im Fußball keineswegs als negativ anzusehen. Im Gegenteil, Misserfolgsängstlichkeit und Lageorientierung können sogar Leistungsvorteile mit sich bringen. Ein Überwiegen dieser Veranlagung kann besonders stark motivieren. Aus Angst vor einem möglichen Versagen, weil es den nagenden Zweifel gibt, so gut zu sein wie andere, wird der Trainingseinsatz erhöht, um zur Perfektionierung zu kommen. Aufgrund der Lageorientierung werden viele Spielsituationen durchdacht, viele Varianten gesehen, die Spieler ohne die Disposition zur Lageorientierung nie sehen würden. Deshalb eignen sich Spieler mit Lageorientierung, wie sportpsychologische Untersuchungen zeigen konnten, auch besonders für die Position des Spielmachers. Es gibt viele Beispiele für begnadete, sensible Spielmacher. Aber sie sind eben auch besonders verletzlich, vulnerabel, wie es in der Fachsprache heißt. Lageorientierte können Spitzenleistungen bringen, wenn das Teamklima gut ist, sie sich inner- und außerhalb des Vereins akzeptiert und geschätzt fühlen und „locker“ in Spiele gehen können. Damit das Spiel faszinierend wird, braucht der Fußball solche sensiblen Spieler. In der Welt des modernen Profifußballs finden sie aber nicht die Rahmenbedingungen, die sie ihr Spiel entfalten und als Menschen unbeschadet lassen.“

Wisst ihr, was mein Vorschlag wäre? Wir setzen Jogi Löw, Prof. Dr. Jürgen Beckmann und Elaine Aron an einen Tisch. So würden sich viele, viele offene Fragen klären, was Verhaltensweisen von Spielern wie Deisler, Özil oder auch Klose angeht.

Meine Analysen meines anderen Posts haben sich durch dieses Zitat hier weiter verstärkt. Ich glaube, ich schreibe jetzt mal den Professor direkt an. Vielleicht bringt es ja was 😉

Das Zitat oben lässt sich übrigens prima ganz abstrakt auf unsere heutige Leistungsgesellschaft übertragen – in jedem Bereich, egal ob in die Arbeitswelt, Vereinswelt, Familie, …

Bis dahin und liebe Grüße,

Julia

8 Gedanken zu „Sensibilität im Spitzensport – Besonderheit: Lageorientierung

  1. Michael

    Hallo,

    Ich bin soeben auf diesem Beitrag gestoßen. Mein Sohn ist 7 Jahre und hochsensibel. Er ist ein toller Fußballer aber steht sich meist selbst im Weg. Da ich sein Trainer bin, bin ich es gerade am Anfang, falsch angegangen. Ich habe zwar viel gelobt aber auch oft kritisiert. Mittlerweile merke ich, dass er sich am besten ohne meine Kritik entwickelt. Ich lobe zwar weiterhin und wenn er mich fragt, sage ich kurz und knapp meine Meinung. Ich habe das Gefühl, umso mehr er das alleine reflektieren kann und ich mich aus dem ganzen Thema rausnehme, umso besser klappt es. Habt ihr da ähnliche Erfahrungswerte?

    Viele Grüße
    Michael

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    1. Highly Sensitive Person (High Sensation Seeker) Autor

      Hallo Michael!

      Ich kann nur von meiner eigenen Erfahrung sprechen. Und danke, dass du einen Kommentar verfasst hast!
      Ich muss anmerken, dass ich für mich selbst das Thema Hochsensibilität verdaut und für mich integriert habe. Ich bin mittlerweile in einer für mich tieferen Schicht angekommen, nämlich beim autonomen Nervensystem, welches durch diverse Überlebensstrategien angeschlagen sein kann. Vor allem bei Hochsensiblen, weil diese einfach so ein hohes Wahrnehmungsspektrum haben und sie viel schneller an den Punkt kommen, wo ihnen alles zu viel wird. Vor allem in der heutigen Welt – Leistungsgesellschaft, blablabla…
      Wenn mein Speicher dann voll ist und mir jemand hineinredet – egal ob Lob oder Kritik – dann verliere ich immer schneller ein Gefühl für mich selbst.
      Was da hilft? Sicherheit.
      Stichwort: Polyvagaltheorie.
      Und für das Training kommt mir sofort der Impuls, dass du ausprobieren könntest, die Neugier deines Sohns mit ins Spiel zu bringen 🙂
      Wenn Neugier da ist und eigene Impulse, dann kann man sich sicher sein, dass auch Sicherheit da ist.
      Für jeden Menschen bedeutet Sicherheit etwas anderes.
      Bei Hochsensiblen könnte ich mir durchaus vorstellen, dass die Möglichkeit, mein Inneres zum Ausdruck zu bringen und die inneren Impulse wahrzunehmen, mir sehr viel Halt und Sicherheit geben. Und wenn ich das dann noch mit irgendjemandem teilen kann, der NICHT urteilt – sondern das alles einfach nur da sein lässt – boah, was wäre ich froh gewesen, wenn ich so jemanden gehabt hätte. Egal wie abstrus sich das für dich anfühlen mag. Wenn etwas da sein darf, ordnet sich das Nervensystem und der Körper so, dass ich mir immer weniger im Weg stehe und die Informationen immer besser verarbeitet bekomme.
      Wie gesagt: Es geht um Sicherheit. Auch insbesondere die Sicherheit im sozialen Kontakt. Und wenn du merkst, dass einfach deine Präsenz ausreicht, dann ist das wunderbar.
      Ein Kommentar am Ende: Je besser deine eigene Selbstregulation ist, desto mehr profitiert auch dein Sohn davon. Also du kannst für dich selbst auch sehr viel tun, was dann automatisch auf deinen Sohn übergeht. Einfach mal im Internet suchen nach Polyvagaltheorie, Selbstregulation, autonomes Nervensystem. Gabor Maté, Irene Lyon, Gopal Norbert Klein, …
      Falls du noch Fragen hast, sehr gerne.
      Alles Gute euch beiden,
      Julia

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      1. Michael

        Wow. Tolle Antwort. Da merkt man, dass du A ) selbst „betroffen“ bist und B) einfach wahnsinnig viel Ahnung von der Thematik hast.
        Ich werde das natürlich versuchen, meinen Sohn seine Gefühle zum Ausdruck bringen zu lassen, ganz ohne Wertung meinerseits.

        Super Tips. Alles Gute Dir weiterhin.

        Lieben Gruß
        Michael

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    2. Highly Sensitive Person (High Sensation Seeker) Autor

      Und noch etwas zu meiner Antwort von gerade:
      Ich hätte das alles ganz kurz halten können. Es könnte helfen, den Selbstausdruck deines Sohnes zu fördern – sowohl körperlich, taktische Diskussionen, als auch den Ausdruck des eigenen Inneren wie Körperempfindungen, Gefühle (!!!), und eigene Gedanken. Dann kommt die Neugier von allein und er muss sich nicht mehr im Weg stehen.

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  2. Monika Firgau

    Hallo Julia,
    Du hast diesen Blogbeitrag schon vor fünf Jahren geschrieben, aber ist immer noch aktuell. Ich beschäftige mich gerade (wieder) mit dem Thema, weil unsere hochsensiblen Jungs inzwischen in einem leistungsorientierten Verein Fussball spielen, und wir da jetzt immer wieder an unsere Grenzen kommen. Mal sehen, ob ich mit diesem Thema auch an den Trainer rankomme.
    Hast du in der Zwischenzeit das Thema weiter verfolgt, eventuell sogar tatsächlich Kontakt zu Prof. Beckmann gehabt?
    Ganz liebe Grüße,
    Monika

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    1. Highly Sensitive Person (High Sensation Seeker) Autor

      Liebe Monika!

      Ganz herzlichen Dank für deinen wunderbaren Kommentar – da freue ich mich unglaublich, weil meine älteren Blogartikel doch noch Anklang finden :-)))
      Ich habe Prof. Beckmann tatsächlich angeschrieben – aber keine Antwort erhalten.
      Je nachdem, an welche Grenzen ihr kommt, würde ich unterschiedlich vorgehen. Mit dem Trainer zu sprechen macht auf alle Fälle Sinn. Es könnte allerdings auch sein, dass ihr dadurch evtl. noch mehr Gegenwind bekommt. Ausprobieren!
      Ansonsten auch in Betracht ziehen, dass eine andere Mannschaft evtl. mehr Spielfreude bringen könnte.
      Lasst das Gefühl der Jungs entscheiden 🙂

      Alles Liebe,
      Julia

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